Impfung gegen SARS-CoV-2 für chronisch Borreliosekranke

Von Dr. Petra Hopf-Seidel

In den letzten Monaten bin ich immer wieder von ehemaligen wie auch derzeitig bei mir in Behandlung stehenden Borreliosekranken angesprochen worden, ob sie sich trotz ihrer Borreliose gegen Covid-19 impfen lassen sollten. Dazu habe ich immer eindeutig „Ja“ gesagt, aber nur, wenn aktuell keine Borrelienaktivität besteht, d.h. der Borrelien-LTT negativ ist. Ich weiß, dass im BFBD-Newsletter auch andere Meinungen dazu publiziert wurden, die jedoch für die Borreliosekranken nur ein „Abwarten auf den besseren Impfstoff“ zur Folge haben. Denn der von meiner Kollegin für chronisch Borreliosekranke empfohlene Impfstoff AZD 7442 von Astra Zeneca ist ein Passivimpfstoff , hergestellt aus den B-Zellen von Covid19-Patienten, die durch ihre Erkrankung bereits Antikörper gegen das SARS-Cov-2 gebildet haben. Diese Antikörper wurden dann labortechnisch verändert, um eine längere Haltbarkeit und Wirksamkeit zu erreichen. Das so gewonnene Prophylaxepräparat AZD 7442 besteht deshalb aus der Kombination von zwei long acting antibodies (LAA), nämlich den monoklonalen Antikörpern Tixagevimab und Cilgavimab. Es sind zwei (i.v. oder i.m.) Injektionen nötig, um für 6 -12 Monate Schutz vor einer symptomatischen Covid-Erkrankung zu erreichen. Es ist laut einer in vitro (im Reagenzglas im Labor) -Studie auch gegen die derzeit bekannten Varianten einschließlich der Delta-Variante wirksam. Der Schutzfaktor vor einer Covid-19-Erkrankung, der aus der Beobachtung von (nur) 5197 Probanden errechnet wurde, betrug 77% (beim BioNTech-Impfstoff Comirnaty, der ja bereits am 21.12.2020 von der EMA zugelassen wurde, liegt der Schutzfaktor 14 Tage nach der 2.Impfung bei 94,6 %, d.h. er ist deutlich wirksamer). Astra Zeneca plant (Stand 26.8.2021), die Studiendaten bei der europäischen Zulassungsbehörde EMA einzureichen, um dort für AZD 7442 eine „bedingte Zulassung“ als „Notfallmedikament“ zu erhalten. Denn eingesetzt werden soll es bei stark immunsupprimierten Patienten (also neben Patienten unter einer Immunsuppresivumtherapie auch bei sehr alten Menschen), die sicher dem SARS-CoV-2 ausgesetzt waren, um sie schneller zu schützen, da ja bereits „fertige“ Antikörper gegeben werden können und diese nicht erst vom Patienten gebildet werden müssen.

Warum ist das jedoch keine geeignete Strategie für Borreliosekranke? Zum einen ist nicht jeder an Borreliose Erkrankte auch stark immunsupprimiert, sondern hat vielmehr meist weitere, sein Immunsystem belastende Störfaktoren wie Zahnherde, Co-Infektionen oder Schwermetallbelastungen. Nach deren gezielter Behandlung wird dann das Immunsystem „entlastet“ und dadurch auch wieder gestärkt, so dass es selbst nach einer Impfung SARS-CoV-2-Antikörper bilden kann. Zum anderen ist eine europäische Zulassung nach dieser Phase III-Studie mit einer nur so kleinen Probandengruppe sicher erst in fernerer Zukunft zu erwarten – wertvolle Zeit, die für die darauf Wartenden ungenutzt verstreicht. Stattdessen sollten sie sich umgehend impfen lassen mit einem von der EMA bereits nach ausgiebigen Untersuchungen zugelassenen Corona-Impfstoff wie z.B. Comirnaty, der seit 12/2020 bereits mehr als 200 Millionen Mal schon verimpft wurde, wobei in Deutschland von 12/2020 bis 7/2021 nur bei 0,2 pro 1000 Impfdosen (d.h. bei 0,02 % der Impflinge) schwerwiegende Nebenwirkungen auftraten. Deshalb auch ist dieser BioNTech-Impfstoff am 23.8.2021 von der FDA in USA vollständig zugelassen für Menschen ab 16 Jahren. Die „bedingte“ Zulassung ist damit aufgehoben worden, was ein weiterer Hinweis ist für die Unbedenklichkeit dieses Impfstoffes, der seit seiner Erstverwendung 12/2020 unter ständiger Beobachtung stand, um alle möglichen Unverträglichkeiten oder ernstere Nebenwirkungen rechtzeitig erfassen zu können.

Auch für den von meiner anderen Kollegin vorgeschlagenen Impfstoff NVX-CoV2373 des Herstellers Novavax gilt, dass er frühestens im nächsten Jahr zur Verfügung stehen wird, denn am 5.8.2021 wurde von der Firma mitgeteilt, dass sie ihren in den USA geplanten Zulassungsantrag „wegen Lieferschwierigkeiten“ auf das 4. Quartal 2021 verschieben müssten. Solange aber in den USA nicht einmal eine „bedingte Zulassung“ erfolgt ist, wird es auch keine Zulassung für Europa geben und das trotz eines derzeit laufenden Rolling-Review-Verfahrens bei der EMA für diesen Impfstoff. Dies wurde ebenso wie bei den anderen Impfstoffen eingeführt, um der EMA eine möglichst zeitnahe Zulassung ermöglichen zu können, sobald es die vorliegenden Daten erlauben würden. Vorsorglich hatte deshalb die EU am 4.8.2021 von diesem Impfstoff schon einmal 100 Millionen Dosen bestellt, was genau einen Tag vor der dann erfolgten Verlegung des geplanten USA-Zulassungsantrages erfolgte.

Aus dem oben Gesagten geht hervor, dass Borreliosekranke auf die ihnen von den beiden Kolleginnen empfohlenen zwei neuen Impfstoffe einfach nicht warten können, denn die vierte Infektionswelle ist im Anmarsch, wie die täglich steigenden Infektionszahlen zeigen. Und gleichzeitig stagnieren die Quoten der (vollständig) Geimpften, obwohl inzwischen ausreichend und kostenlos Impfstoffe zur Verfügung stehen. Da Borreliosekranke aber nicht zu den so stark immunsupprimierten Patienten zählen, dass man ihnen von einer Impfung generell abraten müsste, sollten alle (chronisch) Borrelieninfizierte sich so schnell wie möglich impfen lassen. Wenn allerdings bei einem Patienten derzeit aktive Borreliose-Krankheitssymptome bei einem noch positiven Borrelien-LTT bestehen sollten, muss erst die Erregeraktivität durch eine adäquate antibiotische Behandlung stark reduziert werden, bevor geimpft werden kann. Dasselbe gilt aber im Übrigen für alle aktiv Erkrankte, die ja auch nicht geimpft werden sollen. Außerdem ist ein bakterieller Borrelioseschub kausal antibiotisch behandelbar, eine Virus-Coviderkrankung jedoch nicht.

Zusammenfassend rate ich deshalb allen ungeimpften Borreliosekranken, sich so schnell wie möglich impfen zu lassen, denn Corona ist noch lang nicht vorbei und Ungeimpfte sind die nächsten Intensivpatienten!

Dr. Petra Hopf-Seidel, Ansbach 9.9.2021

Die Verfasserin vertritt mit dieser Stellungnahme Ihre eigene persönliche Meinung.